Montag, 27. Dezember 2010

Doch kein verschneiter Winterwald


Ist das nicht eine märchenhafte Winterlandschaft mit verschneitem Wald?
Könnte man auf den ersten Blick meinen. Auf den zweiten aber gibt es doch ein paar irritierende Kleinigkeiten wie zum Beispiel das üppige Blattwerk an den Sträuchern oder dass die Wiese doch aussieht wie eine Wiese und nicht wie ein Schneefeld.
Die Lösung lautet, dass es sich um gar keine verschneite Winterlandschaft handelt. Sondern um ein Infrarot-Foto. Aus dem neuen Buch "Digitale Infrarotfotografie" von Klaus Mangold. Direktlink zu Amazon 

Da ich die Effekte der IR-Fotografie zwar ausgesprochen interessant finde, mich aber mit dem Thema insgesamt - technisch und optisch und überhaupt - nicht besonders gut auskenne, lasse ich nun lieber den Autor im Interview zu Wort kommen. Doch weil's so schön ist, zuvor noch ein "verschneites" Foto:
CW: Was genau ist denn nun eigentlich Infrarotfotografie?

KM: Diese Fotografie arbeitet mit Wellenlängen, die unser Auge nicht wahrnehmen kann. Dabei handelt es sich um Strahlung, die am langwelligen Ende des für uns sichtbaren Spektralbereichs anschließt.

CW: Was fasziniert Dich daran?

KM: Solche Bilder haben eine ganz charakteristische, unwirklich erscheinende Anmutung. Am bekanntesten ist dabei der so genannte Wood-Effekt (die Bilder mit "Raureif im Sommer", weil Blattgrün im Infrarot schneeweiß abgebildet wird. Das ist zwar der spektakulärste, aber bei weitem nicht der einzige überraschende Effekt, der einen bei IR erwartet. Tatsächlich ist es so, dass man auch nach einem oder zwei Jahren intensiver Beschäftigung mit Infrarotfotografie immer noch Neues entdeckt.

Die Kamera verstehe ich dabei als eine Art "Übersetzungsmaschine" für das ja eigentlich nicht Sichtbare. Spannend wird das dann, wenn man nach den ersten Misserfolgen plötzlich entdeckt, dass man sich erstaunlich gut in diese unsichtbare Welt rein finden kann. Ich denke, ein von Geburt an Blinder muss wohl was ganz Ähnliches erleben, indem er lernt sich in der Welt der Sehenden mit anderen Sinneswahrnehmungen zurecht zu finden. Ein ganz wesentlicher Schritt war für mich, dass ich nach gar nicht so langer Zeit von der reinen Landschaftsfotografie weg gekommen bin und auch ganz andere Themen für IR entdeckt habe, die im ersten Augenblick eigentlich völlig unbrauchbar erscheinen. Dazu gehört zum Besipiel die Aktfotografie.

CW: Offenbar kommt es nicht nur auf den richtigen Blick und die geeignete Technik an, sondern auch in großem Maße auf die digitale Bildbearbeitung. Mir ist aufgefallen, dass Deine Bilder zwar verfremdet wirken, aber dass Du keineswegs wilde, extrem unnatürliche Effekte kreierst. Wozu dient Dir die Bildbearbeitung?

KM: Weil ich bei Infrarotfotografie ja im nicht sichtbaren Spektralbereich arbeite, gibt es kein echt oder unecht mehr. Warum sollte ich mich also sklavisch an das halten, was mir die Kamera durch ihre Art der "Übersetzung" gerade vorsetzt? Ich finde, dafür gibt es wirklich keine Notwendigkeit. Ich finde es deshalb nur naheliegend, dass ich mit der digitalen Bildbearbeitung die Bilder in der Art ausarbeite, die ich haben möchte. Natürlich bemühe ich mich darum, eine einigermaßen durchgängige Bildsprache beizubehalten.

CW: Wie hast Du die IR-Fotografie entdeckt?

KM: Ich hab schon früher mit Film mit Infrarotfotografie experimentiert. Das konnte mich aber durch die sehr umständliche Art der Arbeit, die nicht vermeidbar war, noch nicht nachhaltig begeistern. Erst durch die Digitalfotografie gab es einen qualitativen Sprung: Sofort nach dem Druck auf den Auslöser ist das Ergebnis zu sehen - bei Kameras neuerer Generation (LiveView) sogar schon davor. Der früher sehr hohe Anteil an Ausschuss ist jetzt Vergangenheit. Richtig begeisternd finde ich aber erst technisch modifizierte Kameras, mit denen auch im IR ganz normal kurze Belichtungszeiten kein Problem mehr sind. Damit öffnet sich die Welt bewegter Objekte auch für die Infrarotfotografie.


Und wenn Herr Mangold gerade nicht fotografiert oder Bücher schreibt, betätigt er sich beispielsweise in der Grillvorbereitung wie auf dem nachfolgenden Foto, garantiert kein Infrarot-Bild;-)

Montag, 6. Dezember 2010

Buchvorstellung "Brezeltango"

Warum nicht mal ein Buch vorstellen, das zu lesen mir in letzter Zeit Spaß gemacht hat. Die Rezension von mir ist so am 4. Dezember in der Esslinger Zeitung erschienen.

Dirndl statt Kittelschürze
Elisabeth Kabateks schwäbisch-ironische Beziehungsstory "Brezeltango"

Schon in ihrem zweiten Buch-Auftritt zeigt sich Elisabeth Kabateks Heldin Pipeline Praetorius als absolut serienverdächtig: Mit „Brezeltango“, der Fortsetzung des Bestsellers „Laugenweckle zum Frühstück“, hat die Stuttgarter Autorin ein Lesevergnügen geschaffen, das ihrem Erstling an Leichtigkeit, Situationskomik und Sprachwitz in Nichts nachsteht.
Zwar ist es ein Roman mit viel Lokalkolorit, und zu den mundartlichen Passagen gibt es (in Maßen) Übersetzungshilfen für Nicht-Schwaben. Doch gewinnt die Geschichte ihren Charme nicht zuletzt aus der liebevollen Distanz der Ich-Erzählerin Pipeline, genannt Line zu allzu viel Schwabentum. Sie stammt wie ihre Erfinderin aus einem „kleinen, unbesiegbaren Dorf in der Nähe von Stuttgart, das sich erfolgreich gegen die Eingemeindung durch die Metropole gewehrt hatte“. Den Kartoffelsalat in die Maultaschen-Brühe zu klatschen, erregt so bei Line ebenso viel Schaudern wie die über die Kehrwoche ausgeübte Sozialkontrolle.

Inzwischen sind Line, deren „Katastrophen-Gen“ für ihr chaotisches Leben verantwortlich ist, und der Bosch-Ingenieur Leon aus Hamburg ein Paar. Und belegen auf 333 Buchseiten, dass sich Gegensätze anziehen, dass das Leben so dramatisch ist wie ein Tango und die Wege des Glücks manchmal so verschlungen sind wie eine Brezel.
Line, die noch-arbeitslose Werbe-Texterin, braucht intellektuelles Futter und fühlt sich als Vertreterin der Kreativbranche zur Stuttgarter Künstlerszene hingezogen. Leon ist mehr der solide Typ, der sich auf dem Grillabend im Reihenhaus des Kollegen wohlfühlt. Ihn würde es ja schon glücklich machen, wenn Line ihn im Dirndl zum Cannstatter Wasen begleitet. Die lehnt derartigen Kostümzauber ab, womit die Katastrophe ihren Lauf nimmt. So bekommt Rivalin Yvette, Leons mit allen weiblichen Primärreizen ausgestattete Kollegin ihre Chance. Nur Herr Tellerle und Frau Müller-Thurgau können das scheinbar bevorstehende Ende noch wenden und sind damit für ihre kleinen Gemeinheiten im Treppenhaus rehabilitiert.

Kabateks Humor schlägt viele Kapriolen. Dass er nicht selten slapstick-mäßig mit der Schreiberin durchgeht, sorgt für surreale Einlagen. Die tragen paradoxerweise zur Glaubwürdigkeit bei. Schließlich ist das Leben selbst oft sprunghaft.
Doch ebenso wichtig ist die sorgfältige Beobachtung, auf der der Text basiert: Dazu gehört der Zeitgeist in Benztown ebenso wie die Unterschiede zwischen Beziehungserwartung und -wirklichkeit. Letztere funktioniert ja oft mehr nach Currywurst- als nach Candle-Light-Dinner-Prinzip. Protagonistin Line steht für eine Überwindung dieser Gegensätze.
Auch diejenigen Menschen im Buch, die anfangs jedem Klischee zu entsprechen scheinen, sind nicht glatt: So entpuppt sich der Porsche fahrende Zahnarzt Harald als patenter Mensch und doch als richtiger Freund für Lines weltverbessernde Freundin Lila. Wie jede Komödie im echten Sinne dringt der „Brezeltango“ in seelische Tiefen vor – mit scheinbar leichter Hand.                               
Christine Wawra

Elisabeth Kabatek: Brezeltango. Silberburg-Verlag, Tübingen. 12,90 €
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Mittwoch, 17. November 2010

Auf Paparazzi-Spuren in Madrid

Ich lese ja nicht die einschlägigen Zeitschriften, in denen die Stars und Sternchen glitzern und man sich quasi via Paparazzi-Fotos ein Stück vom VIP-Himmel abschneiden kann...
So kam es auch, dass ich völlig naiv auf eine Pressereise nach Madrid mitging - für die Esslinger Zeitung, und auf Einladung des Spanischen Fremdenverkehrsamtes Turespana, in Zusammenarbeit mit Turismo Madrid und dem Museum Thyssen-Bornemisza. Anlass war die aktuelle Ausstellung ebenda "Impressionistische Gärten".
Nicht kannte ich also "Baronesa Carmen Thyssen-Bornemisza", von den Spaniern liebevoll "Tita" genannt. Es handelt sich um die in Wirklichkeit sehr blonde Frau auf dem folgendem Foto. 


Wie wahrscheinlich jeder außer mir weiß, ist La Baronesa die Witwe des deutschen Industriellen Heinrich Thyssen, dessen riesige Kunstsammlung im gleichnamigen Museum inzwischen der Öffentlichkeit zugänglich ist. Die ehemalige mehrfache Schönheitskönigin gehört also dem schwersten Geldadel an und spukt durch die Gazetten, weil sie sich nicht nur mit den anderen Erben, sondern auch - ihrer eigenen Kunstsammlung wegen - mit dem spanischen Staat um größere Summen streitet. Oder weil sie ihre Schwiegertochter nicht akzeptiert oder weil sie mit 62 Jahren Zwillinge von einer amerikanischen Leihmutter austragen lässt oder so. 
Jedenfalls gehört sie zu den Frauen, die mit fortschreitendem Alter immer jünger aussehen weil ihnen tüchtige Ärzte ein ewiges Lächeln ins Gesicht zaubern, das keinen Platz für wechselnde Gemütsstimmungen mehr lässt. Davon konnte ich mich mit eigenen Augen überzeugen! Bestimmt ist auch der restliche Körper nach dem Bilde einer antiken Göttin durchgestaltet...

Die Pressekonferenz und anschließende Führung durch die Ausstellung war dank der Anwesenheit jener Dame aus der hohen Gesellschaft eine recht skurrile Veranstaltung. Selten war bei einem derartigen Anlass der Informationsgehalt so niedrig! War doch in den Unterlagen unserer internationalen Journalistengruppe folgender Programmpunkt eingetragen: "Visit the exhibition Impressionist Gardens at the Thyssen Museum, with ... the Artistic Director of the Museum, Mr. Guillermo Solana". 
Nun, er hätte also UNS durch die heiligen Hallen führen sollen. Was ist stattdessen passiert?

Die Führung (die etwa neun bis dreizehn Minuten dauerte) galt ausschließlich IHR. Umzingelt von Reportern und im Blitzlichtgewitter erklärte Herr Museumsdirektor - mit gedämpfter Stimme und nur für sie verständlich - der gnädigen Frau, was sie auf den Gemälden, die zum Großteil ihre eigenen waren, zu sehen hatte. Kein Wort zu den anwesenden Journalisten. Schade, hätte man dafür nicht eine andere Viertelstunde finden können als ausgerechnet während der Pressekonferenz?


Aber genug davon, ich will schließlich nicht zur Klatschreporterin mutieren... Die Ausstellungeröffnung am Abend war übrigens auch ein wenig seltsam. Sie lief ganz ohne Reden ab, dafür mit vielen Pelzmänteln und immer mal wieder aufflackerndem Blitzlichtgewitter. Hierzulande undenkbar, dass keiner durch ein Mikrofon spricht. Dafür sind auch die Getränke oft nicht kostenlos, weil schließlich soll man sich ja intellektuell vergnügen und nicht bedüdeln. 
Eine Weile habe ich die aktuelle Mode studiert, dann wurde mir das aber langweilig, und ich bin mit einer amerikanischen Kollegin zwecks Nahrungsaufnahme in eine Tapas-Bar abgewandert.


Die Bar hieß "Los Gatos" und war voll dekoriert mit Stieren. Ich konnte keine einzige Katze entdecken. Ob die Namensgebung wohl ein Versehen war? Jedenfalls ist es ein sehr geselliger Ort und die Tapas mundeten ausgezeichnet.
Abschließend noch ein fotografischer Selbstversuch aus Spanien. Eigentlich sollte der Kopfputz genau in die Mitte, ist aber leicht seitlich verrutscht;-) Ich hab da passenderweise einen Apoll auf dem Gehirn sitzen, den griechischen Gott der Schönen Künste und Herr der Musen. Die sollen mich dann mal schön küssen, wenn ich meinen Artikel schreiben tu!

Donnerstag, 11. November 2010

Was haben Bär, Leopard und Äffle gemeinsam?

Sozusagen noch warm gibt's hier ein paar Fotos von den Filmtagen, die teilweise noch nicht mal auf deren Homepage zu sehen sind - obwohl manche im Büro schon seit Tagen vorliegen. Offenbar gibt es bei denen Wichtigeres als die Internetpräsenz wie geplant aktuell zu halten...


Die zwei Äffles gehören zu einer ganzen Herde, allesamt die kleinen Brüder und Schwestern des Berliner Bären, Berlinale-Logo, und des Goldenen Leoparden, der die Filmfestspiele von Locarno beschützt.
Das berühmteste schwäbische Tierpaar sind ja bekanntlich Äffle und Pferdle, die seit den 1960-er Jahren als Zeichentrickfiguren durch das Werbefernsehen des damals Süddeutschen Rundfunk genannten Senders geisterten. Die neue Corporate Identity der Französischen Filmtage basiert also auf einem echt schwäbischen Urviech, einem Affen;-)
Von wegen. Denn genau genommen ist die Abstammungslinie des neuen Tübinger Filmlogos eine ganz andere. Festivalleiter Christopher Buchholz war schon als Kind auf weltläufigem Parkett zu Hause. Als Sechsjähriger nahm ihn seine Mutter mit zur Premiere von Stanley Kubricks "2001. Odysee im Weltraum". Die Affen im Film haben den Jungen nachhaltig beeindruckt, und auf der Suche nach einem unverwechselbaren Bild für Tübingen fielen sie ihm wieder ein. Die zwei Knuddeltiere auf dem Bild sind übrigens Filmpreise - ein Gewinn im doppelten Sinne. Denn die bisherigen Preise waren so hässlich, dass zum Beispiel Ehrenpreisträgerin Agnes Varda ihren gleich mal unter dem Kinositz "vergessen" hat.


Das ist Christopher Buchholz, seit diesem Jahr Festival-Leiter. Der Hintergrund auf dem Foto ist übrigens keine Filmszene, sondern ein Moment aus dem wahren Leben.
Das lässt doch hoffen;-)


Das ist ein anderer Tübinger Promi, unser OB Boris Palmer. Ich habe ihn gewählt, damit ich nun nicht selber andauernd auf die Stuttgart 21-Demos gehen muss. Als Selbstausbeuter in der Kreativbranche hat man für so was ja keinerlei Zeit. Daher ist es wichtig die richtigen Politiker gewählt zu haben;-)


Und dieses Foto gefällt mir einfach... Es zeigt Bettina Röser, die zusammen mit Gabriele Elsässer die Stuttgart-Sektion der Filmtage organisiert. Die Eröffnungsparty im Club Schocken zeichnete sich unter anderem durch atmosphärische Farbgebung aus. Die Häppchen waren auch lecker.
Über den Small Talk kann ich nicht viel sagen, weil man als Fotograf ja wie schon erwähnt die Leute dabei ablichtet wie sie sich amüsieren, ohne selber allzuviel daran teilzuhaben. Ich habe dann meine imaginäre Tarnkappe auf, um beim Arbeiten möglichst dezent vorgehen zu können. Das ist ja soweit ok. Blöd wird's erst, wenn die andern einen auch sonst so behandeln als hätte man die Tarnkappe immer auf, mit der Aufschrift: "Nicht ansprechen, ich bin eigentlich gar nicht da, und überhaupt fühlt Euch ganz unbeobachtet." Brauche wohl kaum zu erwähnen, dass das diesmal für meinen Geschmack zu häufig passiert ist...

Mittwoch, 10. November 2010

Festivalfotografie bei den Französischen Filmtagen


Festivalfotografie fast rund um die Uhr - damit verbringe ich gerade meine Tage und teilweise Nächte bei den 26. Französischen Filmtagen in Tübingen und Stuttgart. Das größte Filmfestival des frankophonen Films außerhalb Frankreichs begleite ich zum sechsten Mal. Es gilt, Regisseure und Gäste beispielsweise in situativen Portraits abzulichten sowie Podiumsdiskussionen und Preisverleihungen zu dokumentieren. Also Eventfotografie vom feinsten, mit allen Herausforderungen, wobei die der technischen Art - wie blitze ich so dass Gesichter nicht aussehen wie Schweinchen vor schwarzem Loch - noch die geringsten sind. Eigentlich geht es um die Kunst an allen Orten gleichzeitig zu sein....

Die Fotos sind übrigens unter folgendem Link zu sehen, wobei ich für die Präsentation, Beschriftung und Auswahl keineswegs verantwortlich bin:
http://www.filmtage-tuebingen.de/fft-wordpress/?cat=49

Wie man an der Bildgalerie sieht, lege ich nicht unbedingt Wert auf das "Modell Honigkuchenpferd", also darauf dass die Menschen sich mit einem breiten Grinsen gegen das Fotografiertwerden wehren... Ich arbeite gerne mit denjenigen Situationen, die ich vorfinde und erzähle damit die Geschichte. Bei den Portraits versuche ich, von dem oftmals hässlichen Hintergrund einzelne Elemente wie Lichter kompositorisch aufzugreifen, ohne dass ein Kinofoyer oder ein anderer Ort dabei sehr stören. Interessant wäre es, die Regisseure ihrer Persönlichkeit oder ihren Filmen gemäß an ganz bestimmten Orten zu fotografieren, doch das ist ein anderes Projekt und in diesem Rahmen mit extremem Zeitdruck nicht zu leisten.

Da ich nicht wie manche Kollegen rohe JPG-Dateien wie sie aus der Kamera fallen abliefere, ist die Postproduktion echte Arbeit. Morgens bis mittags sitze ich Stunden am Rechner und öffne meine RAW-Dateien, an denen ich auf die Schnelle grundsätzliche Bearbeitungsschritte vollziehe. Dabei geht mein eigener Anspruch an Qualität durchaus auf meine Kosten, da ich paradoxerweise das Gefühl habe, von dem Filmfestival gar nicht viel mitzukriegen...
Viele mögen auch den Unterschied gar nicht sehen, und nicht selten höre ich 'oh das habe ich gar nicht gewusst dass das so viel Arbeit ist'... Klar, im Zeitalter der Digitalknipse denken ja viele das sei Fotografieren was sie da betreiben. Und von jeder Über30- und Unter20-Disco werden millionenweise Pixel ins Internet geladen. Damit muss man dann quantitativ konkurrieren, was ich irgendwie für unmöglich halte.
Einige sehen aber den Unterschied, das habe ich glücklicherweise schon rückgemeldet bekommen.
Und immerhin hat ein Filmfestival ja auch mehr oder weniger entfernt ;-) mit Fotografie zu tun, und die Festivalfotografie sollte sich meiner Ansicht nach an einem gewissen künstlerischen Anspruch messen lassen.

Foto: Karin Czuka

Samstag, 23. Oktober 2010

Lamafotografie

Wie berichtet, haben wohlmeinende Freunde mir ja empfohlen, statt unwilliger Menschen in Peru und Bolivien doch lieber Lamas zu fotografieren. Das habe ich dankbar beherzigt. Hier ein paar Ergebnisse des Lama-Castings:


Auch ohne Spieglein an der Wand zweifellos die Schönste im Land...


Schon gewusst? Wird ein Lama oder Alpaka im Babyalter ausgiebig geknuddelt, liefert es später viel weichere Wolle als ohne so innige Pflege. Hier wird gerade an einer besonders guten Wollqualität gearbeitet.


Viele Lamas sind nicht nur in der Wollindustrie tätig, sondern haben noch einen Nebenjob als Rasenmäher. Hier zwei Exemplare an ihrem panoramareichen Arbeitsplatz in Machu Picchu.


Dieses Lama äußert gerade seine höchste Zustimmung, fotografiert zu werden.
Kann ich wohl froh sein dass es nicht noch gespuckt hat...

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Bolivien oder wie umarme ich einen Kaktus

Nachdem sich Freunde meines Blog geoutet haben und ihr Bedauern über das Fehlen von Reisefotos geäußert, habe ich mich entschlossen in unregelmäßiger Folge eine Bild-Nachlese zu liefern. Soll auch dazu dienen, das Unhappy End, das mir immer noch schlaflose Nächte und ärgerliche mails zum Beispiel von der Botschaft in La Paz beschert, in den Hintergrund treten zu lassen.


Die Reise in Bolivien stand ja unter dem Motto "den Kaktus umarmen" - zumindest kommt mir mein Versuch an diesem stachligen Land Gefallen zu finden so vor. Hier die bildliche Umsetzung, von einer Insel im Salar de Uyuni...


Was ist das???
Termitenwanderung? Das bolivianische Trinkwasser unterm Mikroskop? Eine künstlerische Verschmelzung von Claude Monet und Jackson Pollock ?
Alles falsch!
Es ist der Blick aus dem Jeep-Fenster im Desierto de Siloli nahe der chilenischen Grenze. Oben Himmel, unten Erde, in der Mitte der Horizont.


Tja, da stehe ich vor einer schwierigen Entscheidung, die zudem nichts für Analphabeten ist. Nicht jede bolivianische Toilette war so gut beschriftet wie diese. Die Trefferquote war offenbar recht hoch, wobei es nicht so sauber roch wie es hier aussieht.


Einen guten Schutzengel hatte ich wohl. Hier lasse ich ihn Flugübungen machen über einer der Lagunen in den Wüsten Südboliviens, aus denen auch die drei anderen Fotos stammen. Als Fingerpuppen findet man fast die gesamte südamerikanische Fauna plus anderer Tierchen wie zum Beispiel Engel. Damit kann man sich prima beschäftigen und sein eigenes Theaterstück aufführen falls das alltägliche Drama des Lebens nicht reicht.

Montag, 11. Oktober 2010

Die spinnen, die Bolivianer!

Zuletzt hat es Bolivien mit mir völlig verscherzt. So richtig - nicht nur werde ich selber nicht mehr hinfahren, sondern ich kann mich auch den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes anschließen. Sollen die doch sehen wo die Touristen bleiben, wenn sie so bescheuert sind.

Aber von vorn:  Während des Boardings für meinen Rückflug bzw. dem ersten von drei Flügen von La Paz nach Santa Cruz, holte mich die bolivianische Polizei aus der Einsteigeschlange und führte mich zu den gesammelten Koffern aller Passagiere, die auf dem Rollfeld standen. Ich wunderte mich zunächst nur ein bisschen, um so mehr aber als sie meinten, in meinem Koffer seien Drogen. Ihre Hunde hätten das angezeigt. Ich dachte, das sei ein Witz. Wer mich kennt, weiß dass ich mich in keiner Hinsicht zur Kokain-Dealerin eigne;-) Dass Hunde meinen weitgereisten Koffer jedoch interessant finden konnten, wunderte mich nicht: schließlich war er bald zwei Monate mit mir unterwegs, stand auf unzähligen Straßen herum, wurde in Taxis und Bussen transportiert, und wer weiß, vielleicht haben ihn ja bei diesen Gelegenheiten sogar Hunde markiert. Viele verlockende Düfte also für einen bolivianischen Polizeihund, der die meiste Zeit in einem üblen Verschlag am Rande des Rollfelds eingesperrt ist.

Dummerweise sagte ich dann auch, dass ich glaubte das sei ein Witz. Da mir aber das spanische Wort für Witz nicht einfiel, haben sie es wohl nicht verstanden... Jedenfalls musste ich den Koffer öffnen, was ich zu vermeiden suchte. Ein Schloss war ja inzwischen kaputt und ich hatte die halbe Stadt nach gutem Klebeband abgesucht. Das wollte ich nun nicht so ohne weiteres opfern. Half natürlich nichts, sie haben es durchgeschnitten. Inzwischen war ich recht panisch, weil der Flieger nebendran ja schon seine Motoren hochdrehte und ich einsteigen wollte. Meine Nervosität war aber für diese Leute ein Zeichen dafür, dass ich unbedingt des Schmuggels schuldig sein musste. Ich habe das erst gar nicht kapiert, habe mich nur weiter gewehrt. Sie waren äußerst unfreundlich und rabiat. Mein MacBook haben sie auf das Rollfeld gestellt und ihre Hunde drüber gejagt, außerdem wild auf allen Tasten herumgedrückt. Da hat's mir dann gereicht, und ich habe es ihnen energisch aus der Hand genommen. Immer wieder habe ich auf meinen Flug verwiesen, aber die hatten offenbar Spaß an der Schikane, die damit endete dass ich nicht in mein Flugzeug steigen durfte. Obwohl natürlich die idiotischen Köter bei mir nichts gefunden haben. Oder vielleicht auch gerade deswegen.
Dann stand ich also wieder in der Abfertigungshalle. Und was dann kam, war mindestens so übel wie der Anfang. Die Airlines AeroSur und TAM haben sich geweigert meine Flüge umzubuchen, sie seien ja nicht schuld. Es ging dann weiter bis zum Chef der Drogenpolizei und zur Flughafenleitung, viele Stunden lang kämpfte ich, schöpfte Hoffnung, verlor sie wieder. Der Drogenpolizeichef sicherte mir Hilfe zu, doch für mich konnte Hilfe natürlich nur bedeuten, dass ich am Ende ein neues Ticket für den nächsten Tag in Händen halte. Doch die bolivianische Mentalität versteht unter Hilfe was anderes: jemanden hinhalten und dann abschieben. Der Polizeichef hat mich sogar knallhart angelogen, hat zugesagt er habe alles geregelt und ich müsste nur noch meine Umbuchung abholen... Bis ich kapiert habe dass er mich bloß loswerden wollte, war ich schon völlig erschöpft und verzweifelt. Immerhin war der Typ ja in Deutschland, mit einem Stipendium des BKA wie er mir in fragmentarischem Deutsch erzählt hat. Naja, viel kann da nicht hängen geblieben sein. Schade eigentlich, das BKA hat bestimmt  seinen Flug und nicht nur den bezahlt. - Bei denen in den Büros geht's vielleicht zu. Da kommt man ja sonst nicht rein. Schriftliches habe ich nicht gerade viel gesehen was nicht unbedingt auf Analphabetismus schließen lässt (das wäre nun wirklich übertrieben); am meisten Konzentration hat ihnen der laufende Fernseher abgerungen, auf den sie angestrengt gestarrt haben, selbstverständlich während der Dienstzeit. Wahrscheinlich haben sich die wahren Kokainschmuggler währenddessen in die Hände gespuckt!

Dann bin ich zur Deutschen Botschaft, zum ersten Mal in meinem Leben. Da saß ich nun als Notfall mit meinem ganzen Gepäck. Die waren sehr freundlich. Inzwischen war mir aber klar geworden, dass - nachdem der Flug nicht umzubuchen war - mir wohl keiner einen neuen Flug besorgt wenn nicht ich selber. Mithilfe der Botschaft war der neue Flug schnell aufgetrieben, was mir schon fast wie ein Wunder vorkam hätte das Wunder mich nicht über 1000 Dollar gekostet. 
Nach einer schlaflosen Nacht ging es dann erneut auf den inzwischen mir verhasstesten Flughafen der Welt. Diesmal sollte ich nicht über Sao Paolo, sondern über Caracas fliegen - so kam ich also auch noch nach Venezuela. Das erste Flugzeug nach Lima war noch gar nicht in der Luft, da hatte ich schon die dafür vorgesehene Tüte vollgekotzt. Und so ging es gerade weiter... Die Chefin der Cabin Crew der zweiten Maschine von Lima nach Caracas rief dann die Sanitäter direkt an das Flugzeug, von wo sie mich zur Flughafen-Ärztin brachten. Die Lufthansa-Crew im dritten Flieger von Caracas nach Frankfurt war eine Erlösung, so was freundliches habe ich da oben noch nicht erlebt. Sie haben mir quasi versucht Nahrung einzuflössen, was aber immer noch nicht so recht klappen wollte. Ebenfalls die Chefin der Cabin Crew hat sich mit psychologischem Feingefühl die ganze Geschichte erzählen lassen und meinte dann sie hätte öfters "extreme Fälle" in ihrem Flugzeug.

Verdaut habe ich das noch nicht, und letztlich auch nicht eingesehen dass ich den Flug bezahlen muss, wo doch andere Schuld tragen. Am liebsten würde ich es den Ignoranten heimzahlen, bloß wie? Öffentlichkeit ist schon mal gut, deswegen schreibe ich das jetzt auch so ausführlich an dieser Stelle obwohl es mit Fotografie, dem Thema dieses Blogs, ja vielleicht eher peripher zu tun hat. In der Hoffnung dass es ruhig ein paar Leute davon abhält nach Bolivien zu reisen. Bloß Touristen abzocken wie ich das vielerorts erlebt habe, geht halt auch nicht, irgendwie sollten sie schon auch etwas fremdenfreundlicher sein.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Die Todesstrasse und Seelen im Fotoapparat

Ich darf mich jetzt auch "Survivor of the Death Road" nennen! Bin die angeblich gefaehrlichste Strasse der Welt gefahren. Naja, es war nicht mit dem Mountain Bike (strenggenommen steht nur den Radlern dieser Titel zu, die von ihren Agenturen T-Shirts mit entsprechendem Aufdruck bekommen), sondern in einem Auto. Aber da seh ich jetzt gern mal drueber hinweg... Diese Strasse, eigentlich eine Piste wie die meisten Strassen hier, verbindet den Pass La Cumbre unweit von La Paz auf 4600 Metern mit dem Ort Coroico in den Yungas, auf etwa 1200 Metern. Landschaftlich ein super Erlebnis, entlang gruenen Huegelketten und unter herabfallenden Wassern hindurch allmaehlich in wohltemperierte bis feuchtheisse Tiefen vorzudringen. Bis zum Amazonastiefland ist es dann nicht mehr weit... Hab einen strahlenden Tag erwischt, ohne Smog, und in Coroico waren "nur" die Spuren frueherer Brandrodungen zu sehen, auf denen dann in der Tat Cocaplantagen errichtet wurden.
Seit vor ein paar Jahren eine asphaltierte Umgehungsstrasse in Betrieb genommen wurde, bleibt die alte mehr oder weniger den Touristen - und unter denen vor allen den Radfahrern - vorbehalten. So ohne Gegenverkehr ist es meiner Ansicht nach nicht wirklich gefaehrlich. Aber wenn ich mir die Trucks und Busse auf der an vielen Stellen nur drei Meter breiten Piste vorstelle, direkt neben steilen Abgruenden... Es sind frueher aber nicht nur Autos abgestuerzt, sondern tatsaechlich auch schon ziemlich viele Radfahrer. So saeumen Kreuze und Gedenksteine in verschiedenen Sprachen, von hebraeisch bis spanisch, den Strassenrand. Ich denke, dass man sich bei der Strecke leicht ueberschaetzt - mal ganz abgesehen davon, dass sehr oft Wolken zwischen den Bergen haengen und die Sicht dann (wie beim Schifahren) gegen null geht..

Jedenfalls kamen wir gut in Coroico an, wo ich Baden ging, in einem Hotelfreibad. Die dunkle Farbe auf meiner Haut kam uebrigens doch nicht von der Sonne, wie ich abends festgestellt habe als sie verschwunden war. Muss wohl das nicht ganz soo saubere Wasser gewesen sein;-)

Heute wollte ich es dann nochmal wissen, das mit dem Fotografieren. Hat mir ja die ganze Zeit nicht wirklich Ruhe gelassen. Also habe ich mir Yolanda zur Seite genommen, die hier als Fremdenfuehrerin arbeitet. Sie schien mir die noetige Mischung aus Zaehigkeit und zuckersuesser Freundlichkeit zu haben mit der man allenfalls die Marktfrauen "knacken" kann! Und ausserdem wollte ich wissen, ob es vielleicht doch an einem falschen Vorgehen  lag, dass nicht viel geklappt hat ausser heimlichen Schnappschuessen, die aber nicht meinem Anspruch auf Portraits genuegen. Von wegen! An mir lag es nicht. Wir sind durch die Maerkte gezogen, beide mit viel Geduld (auch ich;-), und haben uns viele Male "no" abgeholt.
Ich fragte Yolanda, wie sie das erklaeren koenne. Schliesslich ist es in anderen Kulturen nicht so. Was nun kommt, kann ich kaum glauben. Sie meinte, bis vor ein paar Jahren sei es moeglich gewesen, Menschen zu fotografieren, sie haetten es in der Regel zugelassen wenn man gefragt hat. Aber dann seien bei Frauen, die sich haben fotografieren lassen, die Geschaefte schlechter gegangen. Und sie haben es darauf zurueckgefuehrt, dass man ihre Seele mit dem Fotoapparat geraubt hat. Das habe sich dann herumgesprochen, und inzwischen haben alle Angst davor von den boesen Seelenraeubern abgelichtet zu werden. Au weia. Ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht, sie gibt auf jeden Fall die Stimmung wieder und das was ich als hierzulande extremen Aberglauben bezeichnen wuerde. Der durchdringt ja den christlichen Glauben und ueberlieferte Traditionen, so dass ein ziemlich undurchschaubares Gemenge aus Riten, Opferzeremonien (Lamafoeten!) zu Ehren von Pachamama, Maria und anderem heiligen Personal entsteht. Spiritualitaet achte ich ja sehr, aber das ist mir dann echt zu obskur. Wenn man so wenig an sich selber und seine eigene Kraft glaubt, dass einem schon ein x-beliebiger Fotoapparat das Seelenheil gefaehrden kann - dann weiss ich auch nicht.

In meiner Kamera konnte ich uebrigens noch keine Ansammlung von Seelen entdecken, die ich auf meinen Reisen so eingesammelt haette;-) Hab extra genau hingehoert, ob sich da drin was tummelt, war aber still. Wenn ich mir auch vorstelle, was fuer ein Geschiebe das waere, ein Gedraengle und Gequengle der Seelen all der vielen Menschen, die ich in meinem Leben schon fotografiert habe...  Und beim Betaetigen des Zoom-Objektives werden sie alle zusammen geschoben und purzeln durcheinander, oder was?
Nee, das waere mir laestig. Ich passe da schon schoen auf, dass nichts mitgeht was nicht zu mir gehoert.

Montag, 4. Oktober 2010

Wiedererlangte Wertsachen und ein Marienbildnis

Heute moechte ich mal den Bolivianern ein grosses Lob aussprechen: genauer den Angstellten des Hotel Rosario in La Paz. Denn auf der Ueberland-Taxifahrt von dort nach Sorata fiel mit nach etwa zwei Stunden siedend heiss ein, dass mein sehr praktischer Geldguertel nach wie vor sicher eingeschlossen ist - im Safe in meinem Hotelzimmer. Schreck, lass nach, hatte ich doch erst in Peru meine Kreditkarte liegen lassen... In dem Geldguertel war alles drin von extra vielen Bolivianos fuer die naechsten Tage ohne Geldautomat, die Dollar-Reserven, Euros, Pass mit Touristenvisum, Wohnungsschluessel und andere Kleinigkeiten. Nach einem Anruf im Hotel war klar, dass wir umkehren muessen. Die Strecke zwischen dem Titicacasee und La Paz ist nicht gerade interessant, und durch die Millionenstadt El Alto oberhalb von La Paz geht es nur im Schneckentempo... Zurueck im Hotel, haendigte man mir gleich eine Plastiktuete mit dem Geldguertel aus, ich schaute es durch, und siehe da: alles war noch drin! Die Angestellten hatten ausserdem eine genaue Liste angefertigt. Ich habe mich in dem Hotel vom ersten Tag an sicher gefuehlt, folglich habe ich auch nichts anderes erwartet. Wohl wissend, dass es in Bolivien keinesfalls selbstverstaendlich ist - von anderen Hotels und Hostals habe ich da ganz andere Geschichten gehoert.

Nach stuermischen Tagen schimmert der Titcacasee heute tiefblau. Auf einer Bootsfahrt zur Isla del Sol, zu der mich die Italiener Luisa und Mauro eingeladen hatten - endlich mal wieder italienisch reden! - drehte mir der ungewoehnlich starke Seegang bald den Magen  herum und ich fuehrte mein Fruehstueck der Zweitverwertung als Fischfutter zu. Diese Kaehne verschwinden dann regelrecht zwischen den Wellen. Bis zur Rueckfahrt hatte sich das Wasser zwar einigermassen beruhigt, aber noch an Land schwankte der Boden unter meinen Fuessen. Der See mutet tatsaechlich an wie ein Meer. Am Horizont ist kein Land zu sehen, und in der Nacht hoerte ich das Plaetschern der Wellen bis ins Hotelzimmer.
Copacabana ist ganz nebenbei auch der beruehmteste Wallfahrtsort von Bolivien. Der Hauptperson "La Virgen de Copacabana", einer wunderwirksamen Madonnenstatue, werde ich nun einen Besuch in ihrer Privatkapelle abstatten. Angeblich zieht man Maria jeden Tag ein neues Kleid an. Vielleicht war sie ja im Spiel, als ich meine Wertsachen wiederbekam...

Sonntag, 3. Oktober 2010

Regenwald gibt´s ja genug...

Das mit dem 'Urlaub vom Reisen' war mal wieder ein schoener Wunschtraum von mir;-) Gerne haette ich ja in dem vielgeruehmten Bergstaedtchen Sorata die Sechstausender besichtigt und waere ihnen sogar auf Wanderungen etwas naeher gekommen. Die verbergen sich aber gerade nicht nur in Wolken, sondern im Smog - der mich uebrigens schon die ganze Zeit in Bolivien immer wieder begleitet. Weiter unten im Dschungel brennen sie naemlich die Regenwaelder nieder. Klar, es hat ja genug davon! Auf so ein paar Baeume kommt es nicht weiter an - diesem Grundsatz zufolge handelt ja derzeit auch die Baden-Wuerttembergische Landesregierung wenn sie fuer Stuttgart 21 die Faellarbeiten mit knueppelnden Polizisten verteidigen laesst...
Hier kuemmert sich die Regierung hingegen gar nicht um die abgebrannten Waelder. Angeblich sei das schwierig zu kontrollieren, wird mir gesagt. Aber wo ein Wille ist, sind doch bestimmt auch Hubschrauber!!! Was genau dort unten passiert, war nicht herauszubekommen. Vielleicht werden auf den Rodungen neue Coca-Plantagen angelegt. Sicher ist es lukrativer in die (durchaus hier auch illegale, aber dennoch weit verbreitete) Kokain-Produktion einzusteigen als Urwaldriesen fuer das Weltklima zu pflegen...

Nach drei Tagen hatte ich dann genug von dem Smog und ehrlich gesagt auch von dem tiefsten Bolivien, in das ich da geraten war. So ein Minimum an touristischer Infrastruktur gefaellt mir schon, zumindest ein Café in dem sich die Gringos treffen... Ich ertappte mich dabei, wie ich nach einschlaegigen Erfahrungen beim Bestellen nicht mehr sagte "einen Milchkaffee, bitte", sondern "ist es moeglich, einen Milchkaffee zu bekommen?" - ein feiner Unterschied.

Also wechselte ich wieder einmal den Ort, um meine letzten Tage in diesem Land nicht mit Ausharren zu verbringen. Nun schaue ich wieder auf den Titicacasee, von Copacabana aus, bevor es zurueck in den Kessel von La Paz geht und von dort nach Alemania.

Montag, 27. September 2010

Montezuma auf Abwegen

Im Internetcafé in meinem Hotel in La Paz ist gut sein. Im ungefaehr sechsten Stock geben grosse Fenster den Blick ueber die Daecher der Stadt frei, mit ihrem Hausberg, dem Sechstausender Illimani, im Hintergrund. Hier freue ich mich gerade ueber mails aus der Heimat;-) Und der Hexenkessel da draussen kann bleiben wo er ist! Neben sehnsuchtsvollem Die-Tage-zaehlen bis ich endlich wieder nach Hause komme (... nee, leider vermisst mich offenbar niemand so sehr;-((( ) bekomme ich durchaus konstruktive Vorschlaege, meine Fotografie betreffend. Es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, dass das mit den Menschen manchmal hier nicht sooo optimal klappt. Ich solle sie denn auch nicht mit meiner ueberdimensionalen Kamera bedrohen (dabei habe ich doch nur das kleinere von meinen beiden 70-200ern dabei!), raet mir ein Kollege. Sondern mich lieber auf Lamas und Alpacas verlegen. Das ist eine prima Idee, die zaehlen zu meinen Lieblingen hier. Soooo suess! Nicht nur dass sie schoene weiche Schals abwerfen, sondern sie bringen auch die hierzulande absolut noetige Geduld mit den Menschen auf - ganz im Gegensatz zu mir die ich noch uebe...

Hab heute morgen auch schon wieder fleissig Steine fotografiert, in Tiwanaku, der bedeutendsten bolivianischen Ausgrabungsstaette. Die Tempel dieser Prae-Inka-Kultur haben mich sehr beeindruckt, zumindest was die Spanier und die Ausgraeber und ein paar andere davon uebrig gelassen haben. Jawohl, die Ausgraeber haben den zahlreichen menschlichen Skulpturen an den Tempelwaenden den Rest gegeben, als sie beim Graben dachten es seien Felsen und sie kaputtgehauen haben.  "They were only diggers, not archeologists", sagte der Guide entschuldigend. Naja, kann ja mal passieren. Offenbar hatten die da ein ernstes Kommunikationsproblem bei den Arbeiten.
Dann war da noch eine von den ueberlebensgrossen Figuren, deren Einschussloecher von den Schiessuebungen der bolivianischen Armee herruehren. Klar, Krieg und Kultur sind sich eh fremd. Also da braeuchte man jetzt schon die Geduld eines Lamas, finde ich.
Die Tiwanaku-Kultur ist mindestens so mysterioes wie die der Inkas. Mit Perfektion beschnittene tonnenschwere Steinquader, magnetische Felsbloecke die den Eingang zum Haupttempel saeumen - und vielleicht ueber die Magnetfelder auch etwas verriegelt haben? Dazu ganz offensichtliche Menschenopfer und deformierte Schaedel, eine Praxis fuer die sich die Erklaerungen in unterschiedlichen Spekulationen erschoepfen.

Vor ein paar Tagen hatte ich die Frage aufgeworfen, was Unterschiede zwischen Peru und Bolivien seien. Nun, da ist zunaechst mal der taegliche Bakteriencoctail, den man so unbemerkt mit allem zu sich nimmt. Die bolivianische Version ist echt nichts fuer schwache oder geschwaechte Maegen und Gedaerme... Moechte das hier jetzt nicht weiter ausfuehren, aber Montezumas Rache hat mich in diesem Land zum zweiten Mal erwischt. Und das obwohl der Herr Montezuma ja Mexikaner ist und sich fuer meinen Geschmack hier gar nicht einzumischen hat.
In dieser Hoehe, also um die 4000 Meter, ist der Siedepunkt des Wassers bekanntlich nicht bei 100 Grad, sondern bei 70-80 (so ganz genau weiss ich das nicht). Das reicht offenbar nicht, um die landesuebliche bunte Vielfalt an Keimen abzutoeten. Bei ungekochtem Wasser, mit dem man ja zum Beispiel Salat waescht oder so, reicht es erst recht nicht. Mir reicht es aber schon mit dem Thema, zumal meine urspruenglich hervorragend ausgestattete Reiseapotheke jetzt so gut wie aufgebraucht ist.

Morgen fahre ich nach Sorata in die Cordillera Real und mache eine Woche Urlaub vom Reisen. Die Internetverbindungen dort sollen quasi fusslaeufig langsam sein, aber ich melde ich, wenn es irgend geht.

Paris-Dakar im Reisebus

... so fuehlte sich die Strecke La Paz - Uyuni an: sieben von den elf Nachtbus-Stunden ging es ueber holprigste Piste. Der Bus versuchte sie im Tiefflug zu nehmen. Ich kenne mich ja nicht so aus mit Fahrzeugtechnik, aber ich meine, die Federung haette besser sein koennen;-) Es war wie Joggen im Sitzen, am Morgen waren alle Koerperteile durchgeschuettelt. Dazu klapperten zahlreiche Fahrzeugteile, so dass zusaetzlich zum Holpern auch ein recht ohrenbetaeubender Laerm die Fahrt begleitete. Der Schlaf war mehr ein theoretischer in diesen beiden Naechten, praktisch war ich wach.

Aber was tut man nicht alles fuer schoene Landschaften. Drei Tage war ich unterwegs in den Wuestengebieten im Suedwesten Boliviens. Zunaechst brauste der Jeep - holper holper;-) -  ueber den Salar de Uyuni, den groessten Salzsee der Erde. Abgesehen davon, dass das ein recht touristisches Vergnuegen ist wenn man sich keine Privattour auf abweichender Route leistet (naechstes Mal!), war ich fasziniert von dem gleissenden Weiss. Das mutet an wie Eis und Schnee, aber auf der Insel wachsen Kakteen. Parallel mit einigen Dutzend weiteren Jeeps, die wie verabredet zu gleicher Zeit an den gleichen Orten Stopps einlegten, erkundeten wir die Salzgewinnung. Die Unterkunft fuer die erste Nacht war doch tatsaechlich ein Haus aus Salz! Mein Bett war aus Salz, die Matraze gluecklicherweise nicht;-) Der Vollmond vermochte nicht zu waermen...
Spektakulaer, wie am zweiten Tag ploetzlich eine blaue Lagune auftauchte, in der sich rosa Flamingos versammelt hatten. Inmitten von Vulkanen - aus einem aktiven stieg ein Rauchfaehnchen in den blauen Wuestenhimmel - und lebensfeindlicher Kargheit diese majestaetischen Voegel, die fuer mich etwas von tropischer Ueppigkeit ausstrahlen. Wir durchquerten die Wueste Siloli auf 4600 Metern, mit teilweise surrealen Gesteinsformationen wie dem "Arbol de Pietra", dem Baum aus Stein. Inzwischen war die Kaelte fuer mein leicht froestelndes Gemuet enorm, und es blies ein eisig schneidender Wind. Ausgerechnet hier lag die zweite Unterkunft, ein ruinoeses und zugiges Sammellager.
Von dort will jeder nur weg, so dass der Aufbruch um fuenf eher als Erleichterung empfunden wird. Auf der einen Seite ging der Vollmond unter, auf der anderen die Sonne auf. Die Fotos gibt es leider nur virtuell, weil ohne Privattour (s.o.) ist nicht an einen ausgedehnten Halt zu denken, der mir ermoeglicht haette das Stativ aufzubauen und was man halt so braucht wenn die Bilder auch technisch eine gewisse Qualitaet haben sollen. War die Laguna colorada mit ihrem roten Wasser - die Faerbung ruehrt von Mikroorganismen her - bereits eine Augenweide, uebertraf sie die Laguna verde noch. Dieser See direkt an der chilenischen Grenze veraendert seine Farbe von unscheinbar zu tuerkisgruen, und das geschah just waehrend unseres nur minutenlangen Aufenthalts - ein Vorteil des strengen Timings. Ach ja, dann war da noch ein Thermalbad in 4500 Metern Hoehe. Ich habe den Finger hineingestreckt, das Wasser rief Erinnerungen an Badewannen (was ist das?) wach. Aber bei dem kalten Wind und in meinem Zustand (inzwischen zwei Naechte ohne Schlaf, die dritte stand bevor;-), konnte ich mich nicht ueberwinden, es den munteren Rucksacktouristen, die nichts auslassen und vielsprachig durch das Wasser tobten, gleichzutun.

Uebrigens hat der bolivianische Praesident Evo Morales tatsaechlich diese Gegend fuer das Rennen Paris-Dakar vorgeschlagen... Es traegt ja nur noch den Namen, findet aber laengst nicht mehr zwischen den genannten Orten statt. Naja, ich kann nur hoffen dass die dann nicht mitten durch die Lagunen mit den Flamingos preschen. Naturschutz wird in dem Land ja nicht so gross geschrieben. Am meisten schockierten mich die Fluesse, der in La Paz ist eine weiss schaeumende Bruehe, die nicht Wasser genannt werden kann. Und die Siedlung Uyuni beispielsweise wird schon kilometerweit vorher angekuendigt durch einen Guertel aus vom Winde verwehten Plastikmuell. Das kenne ich schon von Tibet, dort ist es noch schlimmer, und wieder fragte ich mich, warum es so schwierig ist ein Loch zu graben und warum in vielen Laendern Natur so gar nicht aesthetisch wahrgenommen wird.

Nun bin ich wieder in La Paz, und direkt vor meinem Hotel johlen gerade betrunkene Bolivianer um die Wette. Diese Stadt hat viele Gesichter, das touristische Zentrum ist eines davon, es deckt sich fast mit dem indigenen: zwischen hupenden Taxis und Mikro-Bussen wird so gut wie alles auf den Strassen verkauft, von Obst ueber obskure Zutaten schamanistischer Rituale (Lamafoeten!) bis zu Elektrogeraeten. Tatsaechlich ist es mir gelungen, inmitten dieses Gewirrs neue Kopfhoerer fuer meinen I-Pod zu finden, nachdem ich die alten geschrottet hatte. Ein weiteres Gesicht der Stadt sind die besseren Viertel im Sueden und in geringerer Hoehe (bis hinunter auf 3100 Meter). Hier kann man deutschen Apfelkuchen essen und schweizer Kaesefondue, schafft beides ein heimeliges Gefuehl im Bauch.

Dienstag, 21. September 2010

Vom Nicht-Fotografieren und meiner Kameraweihe

Nun habe ich schon zwei Tage nicht "richtig" fotografiert, sondern lediglich Stadtwandern mit Gewichtheben (Kameraschleppen) praktiziert. Ich bin in La Paz, der bolivianischen Millionenstadt, die sich in einem Kessel zwischen etwa drei- und viertausend Hoehenmetern ausdehnt. In diesem Moloch habe ich erst mal meinen Kulturschock nachgeholt, der im touristischen Cuzco bei meiner Ankunft ja ausgeblieben war. Schoen ist echt was anderes, und ich staune jeden Tag neu ueber das funktionierende Chaos. Als erstes habe ich also geplant, wie ich moeglichst schnell wieder aus dieser Stadt hinauskomme.... So fahre ich heute mit dem Nachtbus in den Suedwesten des Landes zu den Salzwuesten.

Was das Nicht-Fotografieren angeht, ist eine einfache Erklaerung natuerlich die, dass ich Angst vor den Marktfrauen habe, die Touristen auch schon mal mit Kartoffeln bewerfen wenn diese sie zu fotografieren wagen. Zu dem Thema habe ich mich ja erst geaeussert, es spitzt sich offenbar hier noch zu. Inzwischen hat man auch schon Kinder vor mir versteckt und mich mit boesen Blicken verfolgt, als ich das Kleine nett anschaute und mir gerade ueberlegte, ob ich hier wohl mal die Kamera zuecken koennte. Hinterher erfuhr ich, dass in diesem Land vor nicht allzu langer Zeit von als Touristen getarnten Organhaendlern Kinder entfuehrt wurden. Man hat es nicht leicht hier als Reisender... Es waere mir ja wurscht, wenn ich einen anderen Beruf haette: denn als Fotografin stehe ich ja quasi in der Verantwortung zu bewirken was anderen nicht gelingt, schon gar nicht unter diesen Umstaenden. Tja, da muss ich diesmal wohl passen - bin fuer Landschaften und Ruinen zustaendig;-)

Vielleicht ist es mit dem Nicht-Fotografieren aber ja auch wie mit dem "Tun im Nicht-Tun" in den Schriften des Weisen Laotse. Das Nicht-Tun wird als die Voraussetzung des Tuns verstanden. Es reicht dann quasi, zur rechten Zeit am rechten Ort zu handeln. So gesehen fasse ich diese fast bilderfreie Zeit auch als Regeneration auf, zumindest fuer mein technisches Geraet. Das immerhin in Copacabana beilaeufig an der Automobil-Segnung teilgenommen hat. Ein katholischer Priester hat nicht nur die Vehikel sondern auch meine Kamera froehlich mit Weihwasser bespritzt - und sich an meiner verdutzten Miene sichtlich gefreut.
Mit diesem Segen kann nun ja nichts mehr schiefgehen, was das Fotografieren anlangt.

Freitag, 17. September 2010

Sonniger Sandstrand an blauer Bucht

Wirklich schade, dass ich weiterhin keine Fotos einstellen kann - mein Laptop bleibt tapfer aus (siehe vorigen Blog-Eintrag). Hab zwischendurch versucht, die SD-Karte von meiner Lumix-Miniknipse in einem Internetcafe zu laden - wie das jeder Rucksacktourist so macht. Aber die ueblichen Kartenleser packen maximal 2 GB, und ich habe 4 davon. Das ist die Kehrseite, wenn man mit professionellem Equipment unterwegs ist....

Also ich sitze hier an einer tiefblauen Bucht, in der kleine weisse Boote vor sich hin schaukeln, und es gibt einen Sandstrand. Die Sonne brezelt heftig von einem nicht minder tiefblauen Himmel - bin ich ploetzlich am Mittelmeer? Der Ort hat den vielversprechenden Namen Copacabana, wie der Strand von Rio... Allerdings hat die Sache ein paar kleine Haken: Der Titicacasee liegt auf 3800 Metern und hat eine Temperatur von unter 10 Grad, also nix mit Baden. Nachts wird es etwa ebenso kalt, wenn nicht kaelter. Gluecklicherweise wartet im Hostal schon das elektrische Heizgeraet;-)
Seit heute bin ich also in Bolivien. Es fuehlt sich gut an, aber ich kann noch nicht sagen was anders ist als in Peru... Dort habe ich ja ein umfangreiches Kulturprogramm absolviert und viele Inka- und Prae-Inka-Ruinen ausfuehrlich besichtigt. Steine habe ich also sehr vielfaeltig fotografiert....

Mit den Menschen ist das schon schwieriger. Die Hochlandfrauen, die in laendlichen Gegenden auch im Alltag oft noch Trachten tragen, moegen es gar nicht wenn man eine Kamera auf sie richtet. Da habe ich in anderen Laendern der Erde viel bessere Erfahrungen gemacht, siehe meine Fotos aus dem Jemen: www.christine-wawra.de/html/jemen-jungs.php Dort brauchte ich nur auf einen Markt gehen, schon fuehlte ich mich willkommen. Hier ist das anders, und ich habe auch durchaus aggressive Reaktionen bekommen obwohl ich versuche sensibel vorzugehen. Es heisst ja, die Menschen hier seien der Ansicht, man raube ihnen einen Teil ihrer Seele, wenn man sie fotografiert. Das mag ja sein.
Allerdings frage ich mich dann, warum es ploetzlich funktioniert, wenn man ihnen Geld gibt, das sie meist sowieso verlangen. Schadet es dann der Seele weniger??? Wie man merkt, koennte ich mich ueber dieses Thema jetzt richtig gut aufregen;-) Obwohl ich es grundsaetzlich ablehne, Fotos auf diese Art mit Geld zu bezahlen, habe ich hier mal Ausnahmen versucht. Aber diese Fotos taugen nichts!  Man sieht die Dollarzeichen in den Augen aufblitzen, aber sonst nichts. Touristen machen reichlich Gebrauch von diesem Tauschhandel: Behuetete Frauen mit Lama, ohne Lama, Kinder mit Lamababies, die ganz offensichtlich eher zu ihren Muettern gehoeren als auf die verkehrsreichen Strassen von Cuzco. Selbst auf der Insel Amantani im Titicacasee, wo ich zwei Tage und Naechte ohne Strom und ohne Wasser verbracht habe, haben Hirtinnen Geld verlangt - der Tarif war uebrigens derselbe wie in den Staedten;-) Ich sehe wohl, dass die Menschen im Vergleich zu unserer Lebenweise arm sind und keine Gelegenheit auslassen, von Touristen Geld abzuzapfen. Aber meine Auffassung von Fotografie ist einfach anders: Es hat mit Freiwilligkeit, Vertrauen und Sich-Oeffnen zu tun. Ich will einfach mehr als nur die Oberflaeche fotografieren, und auf diese Art zeigen die Menschen mir nur ihre Aussenseite.
Naja, die Steine hierzulande sind ja auch schoen. Und wer weiss, was in den naechsten drei Wochen noch passiert, ich bleibe zuversichtlich.

Mittwoch, 8. September 2010

Flachland-Computer und die peruanische Ehrlichkeit

Sogar Computer bevorzugen das Flachland (was jetzt nicht heissen soll, dass ich es auch bevorzuge, aber zugegebenermassen werde ich gerade von einer Art Heimweh attakiert). Meiner jedenfalls hat eine "maximale Betriebshoehe" von 3000 Metern, weswegen er auch brav in Cuzco - wo ich gerade wieder bin - ausbleibt. Dieser Umstand hat mich vor der Reise einige Nerven gekostet und per kostenpflichtiger Servicenummer bis in irgendwelche hoehere Technikabteilungen von Apple gefuehrt. Mit ambivalentem Ergebnis. Die beweglichen Teile der Festplatte und so weiter koennten durchaus Schaden nehmen, auch kaputt gehen, und ob das Laptop hinterher noch funktioniert, wisse man auch nicht. Na schoen! Hab ich mich also mit 128 GB Speicherkarten eingedeckt und auf die Reise ins andine Hochland begeben.
Wie erwartet, hat hier noch niemand was von dem Problem gehoert. Computer ueberall, ich schaetze mal keine von den teils recht betagten Kisten hat eine von den teuren SSD-Festplatten eingebaut. "Unsere Computer haben sich halt an die Hoehe gewoehnt, haha", bekam ich einmal zur Antwort.

Aber meiner bleibt aus. In dieser Hinsicht riskiere ich nichts, und deshalb gibt es heute keine Bilder - sorry.

Der wichtigste Reisebegleiter ist aber uebrigens nicht mein Computer, sondern meine Wanderstiefel. Eigentlich ziehe ich sie nur noch nachts aus. Die Strassen von Cuzco - und von der Umgebung sowieso - sind gut gepflastert, ob mit Inkasteinen, mit kolonialen Steinen oder eher neuzeitlich. Dieses Pflaster ist die reinste Rutschbahn, wenn es dazu noch bergauf- oder -ab geht (was es staendig tut). Unwissend an meinem allerersten Abend ging ich mit meiner Bekannten Telma zum Essen und zog meine fuer solche Anlaesse vorgesehenen adretten Schuhe an. Ploetzlich sass ich mitten auf der Strasse, es ging also noch glimpflich aus.

Ansonsten habe ich auch schon kleinere Katastrophen ueberstanden. Mein Anorak blieb in einem Taxi liegen. Der Fahrer weiss zwar sehr wohl, wo er mich hingebracht hat (es war ein Ueberlandtaxi), aber so ein echter North Face Anorak kommt hier offenbar der Versuchung selbst gleich. Diese Marke ist die einzige, die hier in Billigkopien im Umlauf ist, und wenn man da mal ein Original zu fassen kriegt... Anstatt eines Indio-Ponchos, habe ich mir jetzt ein japanisches Anorak-Modell besorgt, das immerhin Wind und Regen abhaelt, und schoen bin ich ja selbst (;-)). Beim Kauf des Anoraks habe ich dann meine Kreditkarte vergessen.... Hier hatte ich aber mehr Glueck, die Verkaeuferin brachte sie ins Hostal zurueck, dessen Namen ich nur beilaeufig hatte fallen lassen. Fuer diese Ehrlichkeit bin ich sehr dankbar und moechte das an dieser Stelle aller Welt mitteilen.
Jetzt geht´s mal wieder hinaus in die Kaelte.... Hasta lluego!

Donnerstag, 2. September 2010

Kein Regencape und Cocatee


Was ist das denn? Steine im Regen und nasse Touristen... hier in der Inka-Festung von Ollantaytambo im Valle Sagrado nördlich von Cuzco. 
Will sofort in die Karibik, wo es warm und trocken ist - das hier entspricht nicht meinen Abmachungen. Habe ich diese Reise doch extra im hiesigen Winter angetreten, der für das Hochland als offizielle Trockenzeit gilt. Deswegen habe ich auch kein so schönes Regencape dabei wie die Japaner (?) auf dem Foto, weder für mich noch für meinen Fotorucksack!
Da hilft nur ein Dach aufsuchen und zum Beispiel: Coca-Tee trinken.


So sieht also das hier allgegenwärtige Getränk aus, wenn die Cocablätter nicht im schnöden Teebeutel serviert werden. Traditionell hilft der Tee gegen und für alles, nachgewiesenermaßen vor allem bei der Höhenanpassung. "Mate de Coca" steht in Thermoskannen in Hotels und Hostals bereit, fliegende Händlerinnen bieten ihn im Plastikbecher entlang der besagten Warteschlange morgens in Machu Picchu an. Er fehlt auf keiner Speisekarte.  Das Cocablatt war schon den Inkas heilig und wird noch heute bei Zeremonien zu Ehren von Pachamama, Mutter Erde, eingesetzt. In Cuzco gibt es ein Coca-Museum, das die immense Bedeutung des Strauches für die andine Kultur aufzeigt und den Missbrauch der Pflanze zur Kokaingewinnung nicht auslässt. 
Den Tee finde ich ausgesprochen lecker, schmeckt nach Kräutern. 


Das würde auch helfen bei dem Wetter: eines meiner beiden nicht mehr zu übertreffenden Hotelzimmer auf dieser Reise. Eine Presseermäßigung machte es möglich, dass ich drei Tage lang vom Bett des "Inkaterra Machu Picchu Pueblo Hotel" aus in den Nebelwald von Aguas Calientes blicken konnte und die Kolibris beobachten. Das heißt natürlich lag ich nicht durchgehend in dem Bett, obwohl das auch schön gewesen wäre. Ich bin ja aber wie berichtet in dem Weltwunder umhergestiefelt. Von dem offenen Kamin, auf dem Foto nicht zu sehen, habe ich täglichen Gebrauch gemacht. Von dem Luxusquartier ging es dann am nächsten Ort in eine Art tiefgekühlte Einzelzelle... Man wohnt sich ja ganz nett herum auf so einer Reise, und die verschiedenen Zimmer erzählen ihre ganz eigene Geschichte. Und jetzt zeige ich noch, wie das zweite unübertroffene Hotelzimmer, beziehungsweise das Bad desselben, aussah. Das war im Inkaterra-Hotel "La Casona" in Cuzco.  



Mittwoch, 1. September 2010

Hinaus aus dem Wohnzimmer

In diesen Wochen habe ich meine kreativwerkstatt in die große weite Welt verlegt. Denn die wenigsten guten Fotos entstehen ja im heimischen Wohnzimmer, also muss man dieses gelegentlich verlassen... So die Kommunikationstechnologie es zulässt, werde ich diesen Blog dazu nutzen, meinen realen und meinen virtuellen Freunden von der Reise zwischen Cuzco (Peru) und La Paz (Bolivien) zu berichten. Es wird also weniger nur um Fotografie gehen, sondern durchaus auch Beiträge à la "mein schönstes Ferienerlebnis" geben...


Die Reisevorbereitungen beschäftigten mich mehrere Wochen, vor allem die Frage, wie ich meine Fotoausrüstung - 2 Gehäuse, 3 Zoom-Objektive, Laptop, Netzteil, insgesamt drei Akkuladegeräte und sechs Ersatzakkus, zwei Kartenlesegeräte, Stativ .... - auf die erlaubten 5 kg Handgepäck schrumpfen soll. Wie gut, dass die 128 GB Speicherkarten da nicht wirklich ins Gewicht fallen, im Gegensatz zu den Säcken voller Filme, die man früher auf solche Reisen geschleppt hat. Auf obigem Bild ist das Ergebnis zu sehen: In dem harmlosen Rucksack befinden sich nicht weniger als 12 kg (mehr schrumpfen ging nicht), und was das Beste ist, auf allen vier Flughäfen (Frankfurt, Sao Paolo, Lima, Cusco) wurde nichts beanstandet. 

Seit etwa 10 Tagen erkunde ich nun also das Hochland von Peru um Cuzco, die ehemalige Hauptstadt der Inka, übersetzt "Nabel der Welt". Am Nabel der Welt ist man doch immer gerne. An die Höhe - die Stadt selbst liegt 3500 Meter hoch, besteigt man einen der umliegenden Hügel, ist das schnell mal ein Viertausender - habe ich mich ganz gut gewöhnt. In der Stadt zeigt sich der Tourismus von seiner angenehmen Seite, es gibt viele nette Cafés und Lokale, in denen man von einheimisch bis international  lecker speisen kann, so zum Beispiel Meerschweinchen. 
Von den architektonischen Hinterlassenschaften der Inkas bin ich übrigens sehr begeistert: An scheinbar unzugänglichen Orten wie steilen Berghängen hat dieses doch immer noch ein wenig mysteriöse Volk Terrassen und ganze Städte angelegt. 
Das nächste Foto habe ich ausnahmsweise aufnehmen lassen in Tambo Machay, einem Wasser-Heiligtum etwa 12 km außer- und oberhalb von Cuzco. 


Und gerade war ich drei Tage lang im Weltwunder Machu Picchu unterwegs.... Ein Erlebnis der besonderen Art, in jeder Hinsicht. Zum einen sind da die Killer-Moskitos, die mich Nichtsahnende fast aufgefressen haben. Man spürt es nicht, wenn sie stechen, aber hinterher dafür tagelang. Am zweiten Tage war ich schon viel schlauer, habe meine Hosen nicht mehr hochgekrempelt und ehrlich gesagt mit Schadenfreude (pfui) die leichtbekleideten Neuankömmlinge belächelt... 
Dann sind da noch die anderen Touristen: Anders als in Cuzco tritt der Tourismus hier nicht von seiner angenehmen Seite in Erscheinung, sondern sehr im Gegenteil. Wie gern wäre ich doch mit meinen Ruinen alleine gewesen;-))) Dafür muss man aber vermutlich Ruinenwärter sein oder peruanischer Präsident oder ein echter Inka mit Ausweis (den wollen sie hier immer sehen) oder so. Jedenfalls herrschte schon morgens um 5 (!!!) an der Bushaltestelle ein Andrang wie bei einem Rockkonzert direkt vor der Bühne. Da ich so nur den etwa zehnten Bus bekam, wiederholte sich oben am Eingang und selbst im Gelände das gleiche Spiel. Selbstredend wurde es tagsüber nicht besser, die 2000 zugelassenen Menschen täglich verlaufen sich ja nicht wirklich, will heißen sie fallen schon auf. Nicht zuletzt weil der Tourist an sich ja meist als Gruppe in Erscheinung tritt...
Und trotzdem ist es super schön dort, ein magischer Platz auf einer Bergkuppe, einige Hundert Meter über dem Urubamba, der gen Amazonas fließt. Das folgende - und letzte für heute - Foto ist ein Panorama und wird, wenn ich denn eines Tages ausführlich zusammen gebaut habe, mehrere Quadratmeter messen. Mit diesem Gutenacht-Bild (eigentlich ist es ja ein Guten-Morgen-Bild, aufgenommen gegen 6.15 Uhr) verabschiede ich mich bis zum nächsten schönsten Ferienerlebnis. 






Mittwoch, 11. August 2010

Der Fotograf und die Fotogräfin



Darf ich vorstellen: Frank Bayh und Steff Rosenberger-Ochs (beim Stereotrinken, nein:) bei der Eröffnung des Stuttgarter Fotosommers. Die beiden Fotografen - oder sollte es heißen 'der Fotograf und die Fotogräfin' firmieren unter dem nicht mehr ganz unbekannten Namen „frankundsteff“. Beim Stuttgarter Fotosommer 2005 holte das Duo den ersten Preis – den Titel hätten die beiden gern dieses Jahr verteidigt, aber da wir ja nicht beim Eurovision Song Contest sind, durften sie nicht schon wieder am Wettbewerb teilnehmen. Am kuratierten Teil der Schau aber wohl, und so können sich nun die Ausstellungsbesucher an der mehrteiligen Arbeit „Esther“ erfreuen:::
Das Ausstellungsmotto "Kult!" greift die fingierte Modestrecke besonders eingängig auf. Denn was treibt - in unserer gegenwärtigen Zeit säkularer Kulte - die Mythenbildung mehr voran als die Modefotografie? Millionen von (überwiegend) Frauen werfen ihr Selbstwertgefühl den Ikonen vom Laufsteg zu Füßen, auf dass diese geradewegs darauf herumtrampeln.
So nimmt „Esther“ – übrigens eine Kurzform von „Polyester“ - humorvoll das „Making Of“ einer Modestrecke aufs Korn. Neben dem Model, das selbstverständlich Apfelschnitze verzehrt, während die anderen lustvoll in die Pizza beißen, sind Visagistin, Stylistin und die Fotografen selbst im Bild. Die Räumlichkeiten in der rosaroten Stadtvilla befinden sich übrigens in einem Puppenhaus. In die Makroaufnahmen des Plastik-Spielzeugs haben die Fotokünstler die einzeln im Studio aufgenommenen Personen und Ausrüstungsgegenstände samt dazugehörigen Schatten und Reflexionen hinein montiert.

Modefotografie ist durchaus das Ding von frankundsteff, wie man sich leicht auf deren Website
überzeugen kann. Immer ein bisschen schräg darf es sein, dabei originell und kunstvoll. Vor 50 Jahren wäre man mit derartigem Anspruch und einer Prise Glück vermutlich senkrecht auf die Titelseiten international führender Modemagazine durchgestartet, heute dauert so was schon mal etwas länger...
Gefällig können die beiden aber natürlich auch.
Aber eigentlich sind sie Geschichtenerzähler. In ihren Bildserien fabulieren Frank und Steff mit visuellem Witz und professionellem Sachverstand. Die Helden der Märchen aus dem Fotostudio scheinen unsere Kindheitsträume zu kennen, und ins Schrille verfremdet leben sie sie - wie zum Beispiel in "Texas" heimlich aus.

Donnerstag, 5. August 2010

Sommerliches Sehvergnügen

Einen Sommer der Fotografie in der Region Stuttgart habe ich versprochen, hier ist er: nach der Esslinger Fototriennale wurde nun auch der Fotosommer in Stuttgart City eröffnet. Unter dem Dach des Kunstgebäudes am Schlossplatz bezirzen gleich zwei Ausstellungen die Besucher, die "Award Show" und "Fokus 0711 - Kult!". Die „Award Show“ vereint  31 Wettbewerbsbeiträge (von 516), die, mehr noch als eindeutige Tendenzen zeitgenössischer Fotokunst aufzuzeigen, durch ihre Vielfalt überzeugen. „Fokus 0711 – Kult!“ zeigt in einem kuratierten Überblick künstlerische Positionen aus der Region Stuttgart, die sich dem Thema "Kult" zuordnen lassen. Alles in allem ein visuelles Vergnügen!


Hier erst mal der offizielle Part, ich stelle die Arbeiten vor, die den "Südwestbank Fotosommer Award" gewonnen haben:
Peter Francks Serie „Apartment“ zeichnete die Jury unter dem Vorsitz von Petra von Olschowski, ab September neue Rektorin der Stuttgarter Kunstakademie, mit dem ersten Preis aus, der mit 2500 Euro dotiert ist. Der Stuttgarter Fotograf, der in Nürnberg und Stuttgart Bildende Kunst studiert hat, zeigt irritierende Einblicke in einen Wohnwagen, einen Kleiderschrank, einen Wohnraum: Reale, detailgetreu aufgenommene Elemente wie die Sitzfalten im Polsterbezug kontrastieren mit abstrahierten Flächen, die offenbar digital vereinheitlicht wurden. Sie wirken eher wie ein Gemälde denn wie eine Fotografie und generieren räumliche Mehrdeutigkeit. Vertrautes wird fremd, und die Orientierung löst sich erst einmal auf.

Peter Franck: "Apartment" (2009)                   Bild: Fotosommer 

Menschen, die in zunächst undefinierbarer Beziehung zueinander stehen, hat Kai-Uwe Gundlach abgelichtet: Seine Serie „Shibuya“ teilt sich den zweiten Preis mit Lisa Biedlingmaiers „Maschavera“. Gesichter, schlaglichtartig erhellt, wirken unbeobachtet und in sich gekehrt. Im Text erfährt der Betrachter, dass es sich um eine belebte Verkehrskreuzung in den Straßenschluchten von Tokio handelt. Die urbane Hektik kommt hier eine Ampelphase lang zu einem verordneten Stillstand, und diese vermeintliche Ruhe, in der auch der Verkehrslärm zu verstummen scheint, strahlen die Bilder aus. Gundlach versetzt seine Akteure in eine künstlich geschwärzte Leere, einen quasi-meditativen Raum. 

Kai-Uwe Gundlach: Shibuya #6 (2009)                  Bild: Fotosommer

Lisa Biedlingmaiers Bildstrecke portraitiert ein georgisches Dorf, die scheinbar reportageartigen Szenen sind inszeniert. Die Zöpfe des Mädchens in roten Cowboystiefeln reichen bis zum Boden, und wie ein Zirkusakrobat balanciert ein junger Mann in Landestracht auf einer Schutthalde eine Flasche auf dem Kopf. Die Trostlosigkeit der Umgebung konstrastiert mit den Gesten und dem Ausdruck der Personen, die inmitten eines gesellschaftlichen Umbruchs spielerisch-märchenhafte Stimmung verbreiten. So wird das Niemandsland zu einem metaphorischen Ort.

Lisa Biedlingmeier: Schalaho            Bild: Fotosommer

Geöffnet bis 5. September: dienstags, donnerstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs von 11 bis 20 Uhr. Über die Hauptausstellung hinaus gibt es in zahlreichen Galerien viele weitere kleine feine Fotoausstellungen. 
www.fotosommer-stuttgart.de 

Dienstag, 3. August 2010

Es lebe das Netzwerken!

In diesem Sinne bin ich nun ganz frisch auf "dasauge - Kreative im Netz" vertreten:

Und natürlich, nicht zu vergessen, schon länger bei "XING - Das Business-Netzwerk":

Wie wär's mit einem Kontakt?
Würde mich freuen...

Mittwoch, 28. Juli 2010

Der Fotograf als Bildarchitekt: Thomas Florschütz stellt in der Kunsthalle Tübingen aus


Thomas Florschütz (rechts) mit Kunsthallen-Leiter Daniel Schreiber         Foto: C.Wawra

Großformatige Architekturfotografien sind eine Spezialität des Fotografen Thomas Florschütz. Eindrucksvoll dokumentierte er den Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin - wie in den beiden Arbeiten, die oben im Bild zu sehen sind. Architektonische Details gewinnen ästhetische Qualitäten jenseits von Wiedererkennung, die Architekturfotografie zumeist anstrebt. Doch der abstrakte Wert hält sich mit dem Dargestellten die Waage. In dieser Hinsicht treffen die Arbeiten die Essenz von Fotografie, die als Kunstform ja ihren Reiz stets aus der Spannung zwischen einer dem Medium eigenen Abbildlichkeit und der Eigenständigkeit der Wahrnehmung bezieht. 
Und Florschütz, der 1957 in Zwickau geboren wurde, gelingt es, auf diese Weise den Charakter der abgelichteten Bauten besonders gut zu erfassen. Denn die Lichtführung beispielsweise betont die atmosphärischen Stärken dieser Räume, die wie im Falle des Neuen Museums in großer Einfühlsamkeit historische Verwundungen – als Folge der Kriegszerstörungen verfiel die Ruine Jahrzehnte lang - in Renovierung und Neubau einbeziehen.

Dem ehemalige Palast der Republik widmet Florschütz eine andere Bildserie. Er fotografierte die Ruine während des monatelangen Rückbaus und hält so einen melancholischen Schwebezustand fest. Die Fotos legen darüber hinaus einen spezifischen Umgang mit Geschichte bloß; durch das offene Stahl-Gerüst und über Regenpfützen hinweg fällt der Blick auf das Stadtpanorama der Berliner Mitte, einschließlich Fassaden-Attrappe der zu DDR-Zeiten abgerissenen Schinkelschen Bauakademie. Es wird deutlich, dass Geschichtsschreibung nicht zuletzt über Architektur funktioniert. Bauten werden nach ihrem Identifikationswert bemessen, und was gerade nicht in die Politik passt, muss weichen. Dafür baut man dann halt was anderes wieder auf und tut so, als habe es schon immer da gestanden. Berlin ist dafür ein eindrückliches Beispiel - aber das ist ein anderes Thema.

Die Fotos von Florschütz wirken nicht zuletzt über ihre Größe. Das wird schnell klar, vergleicht man die Ausstellungsversion des oben beschriebenen Palast-Motives - 2,53 x 1,83 m - mit der käuflichen Edition, einem Inkjet-Print in 58x80 cm. - Die Entdeckung, was Qualität und Größe mit einem Motiv machen, fand ich überaus aufschlussreich. Und nachahmenswert. In Zukunft werde ich meine Bilder auch schön groß machen. Was man nicht übersehen kann, muss ja auch irgendwie gut sein;-)

So, nach diesen seriösen Ausführungen muss ich noch eine Bemerkung zu einem der Katalog-Beiträge loswerden. Da verbreitet einer der Text-Autoren doch tatsächlich wieder einmal das Märchen von der Analogfotografie als der wahren Fotografie. Na so was, ich dachte das hätten wir inzwischen geklärt... 
Florschütz fotografiert ja in analogem Mittelformat, lässt die Dias dann scannen und die Daten auf Fotopapier ausbelichten. In der Tübinger Pressekonferenz erklärte er, dass - als er in den 1990-er Jahren mit den ausgestellten Serien angefangen hat, digitale Sensoren noch nicht in vergleichbarer Qualität erhältlich gewesen seien. Einzig aus diesem Grund habe er das analoge Verfahren vorgezogen und sei ihm dann bis jetzt treu geblieben. 
Da hätte der Katalog-Schreiber Johannes Meinhardt doch mal genauer nachgefragt oder hingehört bevor er seine Klischees verbrät: "Entscheidend ist, dass Thomas Florschütz in seinen Bildern zwei der wichtigsten Geheimnisse der analogen Fotografie (nur diese ist Fotografie im starken Sinne des Wortes -...) offenbart." Roland Barthes wird in der Folge zum Kronzeugen für die alleinige Kunstwürdigkeit des Analogen, da sich nur dort die optischen Strahlen materiell in die Silberschicht eingegraben haben...

Der arme Barthes, für was der alles herhalten muss. Dabei bin ich nach wie vor überzeugt, dass der französische Essayist, würde er noch leben, ein großer Fan der Digitalfotografie geworden wäre, siehe Blog-Eintrag "Der leuchtende Schatten" vom 10. Mai 2010. Hier nochmals das Barthes-Original-Zitat: "Ich bin kein Photograph, nicht einmal ein Amateurphotograph; dafür habe ich zu wenig Geduld: ich muß auf der Stelle sehen können, was ich gemacht habe.“ 
Dem Mann könnte heute ja ganz einfach geholfen werden...


Die Ausstellung "Imperfekt" von Thomas Florschütz in der Kunsthalle Tübingen dauert noch bis 26. September 2010.

Auch Blümchenfotos wirken groß gleich viel besser...   Bild: C.Wawra