Sonntag, 29. April 2012

Im Biergarten


Wie die Frühjahrsblüher sprießen in München die Biergärten aus dem vor kurzem noch winterlichen Boden. Als eine, die viel Lebenszeit in einer geistesgeschichtlich bedeutsamen schwäbischen Provinzstadt verbracht hat, komme ich aus dem Staunen kaum heraus. Riesige Ansammlungen von Bierbänken und -tischen warten gastfreundlich in nahezu allen Parks und öffentlichen Gärten auf Besucher. Angesichts des plötzlich ausgebrochenen Hochsommers mussten sie nicht lange warten... 

Vorher.....

Was für eine Überraschung für mich: Man darf sein Essen selber mitbringen. Im Land der für effizientes Wirtschaften bekannten Schwaben wäre so was undenkbar! In München steht man da offenbar drüber, wohl wissend dass es in einem Biergarten ja nur sekundär ums Essen geht. Wie schon der Name sagt, geht es um Bier. Das fließt aus duschkopfgroßen Zapfhähnen in eimergroße Maßkrüge, in denen man gut und gerne ein Kleinkind untertauchen könnte. 

Wie oft das tatsächlich passiert, dass ein Baby - etwa analog zu Obelix, der ja bekanntlich als Neugeborenes in den Zaubertrank gefallen ist - eine Gerstensaft-Taufe erhält, ist mir statistisch nicht bekannt. Über den Zusammenhang zwischen einem solchen Kindheitserlebnis und der Menge, die hierzulande im Erwachsenenalter vertragen wird, kann ich also nur mutmaßen.

... nahher.

Die zweite Überraschung: Bier in kleineren Gläsern (mir als "normal" bekannt) wird gar nicht erst ausgeschenkt. Außer Weißbier, möglicherweise gilt so eine "Halbe" ja als eine Art Kinderportion;-) Wenn man nichts dazu sagt, kriegt man automatisch einen Liter;  wer das nicht möchte, muss sich rechtzeitig vorher wehren. Für das bekannte Maßkrugstemmen muss ich aber erst noch trainieren (in vieler Hinsicht;-)

Christine übt bayerische Rituale. 

Es stimmt übrigens gar nicht, dass ich auf obigen Fotos rot im Gesicht bin. Und erst Recht nicht vom Bier, an dem ich ja wie man sieht bloß genippt habe. Ich hatte es bloß mal wieder nicht für nötig gehalten, bei 32 Grad im Schatten - und etwa gefühlten 70 in der Sonne - die Sonnencreme auszupacken. Aber Rot ist was anderes, das beweist doch die Tomate rechts im Bild. Sozusagen ein Rotabgleich (entsprechend dem Weißabgleich in der digitalen Kamara...).

Eva trinkt weiterhin Rotweinschorle (nee, ist nicht wahr). 





Freitag, 27. April 2012

Inspirationsquelle Natur


Georgia O'Keeffe: Lila Petunien (1925). Sammlung des Newark Museums, Nachlass von Miss Cora Louise Hartshorn, 1958 © Georgia O'Keeffe Museum / VG Bild-Kunst, Bonn 2011

Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München zeigt eine Retrospektive von Georgia O’Keeffe


Von Christine Wawra


München. Die amerikanische Künstlerin Georgia O’Keeffe malte Blüten als seien sie mit dem Makroobjektiv einer Kamera aufgenommen: nah, groß und farbenprächtig. Diese ungewöhnlichen Perspektiven offenbaren die abstrakten Qualitäten der Naturvorbilder, etwa in der Linienführung der Blütenblätter.  Oder in den Farbkontrasten: Hat man in der Kunstgeschichte jemals zuvor so ein großflächiges, prachtvolles Violett gesehen wie auf dem Gemälde „Lila Petunien“ von 1925? Dessen atmosphärische Stärke erinnert an die viel später entstandenen Arbeiten von Mark Rothko oder des deutschen Malers Gotthard Graubner.


Freudianisches Missverständnis


O’Keeffe, die 1887 im US-Bundesstaat geboren wurde und ein knappes Jahrhundert später, 1986, in New Mexico starb, ist vor allem bekannt für diese Blütenbilder. Deren Bewertung als spezifisch weibliche Ausdrucksform mit erotischen Konnotationen hält sich hartnäckig seit den 1920er-Jahren bis heute: Sie ist letztlich wenn nicht auf ein Missverstehen, so doch auf einen freudianisch geprägten Kritikerblick, der letztendlich sieht, was er zu sehen wünscht, zurückzuführen.
Die Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München zeigt die erste Retrospektive von O’Keeffe in Deutschland und wischt mit glücklicher Hand derart eindimensionale Sichtweisen vielleicht endgültig hinweg. So gibt die Ausstellung, die zuvor in Rom zu sehen war und von München nach Helsinki wandert, hierzulande auch hinsichtlich der Rezeption der Malerin diejenige Ernsthaftigkeit zurück, die sie sich selber zeitlebens erkämpft hat.  Für ihre Rolle als unabhängige Künstlerin konnte sie nicht auf Vorbilder zurückgreifen, und von männlichen Kollegen wurde sie – trotz der Förderung durch den erfolgreichen Galeristen und Fotografen Alfred Stieglitz, ihren späteren Ehemann – lange nicht ernst genommen: „Alle männlichen Künstler, die ich kannte, machten mir deutlich, dass ich als Frau nicht darauf hoffen könne, es zu schaffen – ich könne ebenso aufhören zu malen“, schrieb sie in den 1920er-Jahren, allerdings weit davon entfernt, sich einschüchtern zu lassen.

Die Schau verbindet Leben und Werk zu einer Einheit. Biographische Abschnitte spiegeln sich in thematischen Kapiteln zwischen Früh- und Spätwerk. Georgia O’Keeffe ließ sich in hohem Maße durch ihre unmittelbare Umgebung inspirieren und schätzte hierfür vor allem die Natur. Dies gilt sogar für ihre abstrakten Arbeiten, die von der gleichen Formensprache durchdrungen scheinen wie die gegenständlichen. Zwar verewigte sie in den Boomjahren 1925 bis 1929 auch die entstehenden Großstadtschluchten von New York auf der Leinwand. Doch danach fand sie ihre Wahlheimat in den Wüstenlandschaften des US-amerikanischen Südwestens. Die kargen Felsformationen, spektakulären Canyons und magischen Kraftplätze des Stammeslandes der Navajo und Hopi kamen O’Keeffes künstlerischer Gratwanderung zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit entgegen. Die Abgeschiedenheit der damals relativ unerschlossenen Gegend mag für sie Gegenpol zu ihrem gesellschaftlich geprägten Leben mit Stieglitz in New York sowie auf dessen Familiensitz am Lake George gewesen sein.  

Georgia O'Keeffe: Landschaft bei Black Mesa, New Mexico / Im Hinterland bei Marie II (1930) Georgia O'Keeffe Museum, Geschenk von The Burnett Foundation, Santa Fe, New Mexico 
© Georgia O'Keeffe Museum / VG Bild-Kunst, Bonn 20


Beseelte Landschaften


Die Landschaftsbilder wirken wie auch ihre anderen Werke eigentümlich beseelt. Wie dickhäutige Lebewesen ragen die Hügelzüge – etwa auf dem Gemälde „Landschaft bei Black Mesa / Im Hinterland bei Marie II“ von 1930 – aus der Ebene empor. Der formalen Klarheit entspringt eine große Stille wie sie Zeitzeugen zufolge auch O’Keeffes Wesen eigen war. Offenbar zog sie Bäume zuweilen den Menschen vor, hasste Small Talk und war sehr tiefgründig.
Die Bilder von Tierskeletten bringen diese Verbundenheit mit der Natur ebenfalls zum Ausdruck. Für die Künstlerin machten die Schädel von Pferden oder anderen verendeten Tieren die Essenz und Unerbittlichkeit der Wüste erfahrbar. Mit diesen Fundstücken umgab sich O’Keeffe auch in ihrem Haus auf der Ghost Ranch, wie die Fotografien belegen, die neben einigen abstrakten Skulpturen die Ausstellung ergänzen. Die gemalten Knochen sind jedoch nicht nur die Essenz der Wüste, sondern wirken ihrerseits wie landschaftliche Mikrokosmen. 
Die Naturauffassung der Künstlerin, die sich mit ihrem intimen Blick – sei es auf Wüste, auf Bäume oder Blumen – nahezu selber als Teil der Landschaft begreift,  knüpft auf ihre Weise an die kulturelle Tradition der amerikanischen Ureinwohner an. Dies jedoch jenseits oberflächlicher Zitate und mit den Mitteln moderner Kunst, die völlig auf der Höhe ihrer Zeit sind. Für Völker wie die Navajo oder Hopi waren und sind die unsichtbaren Kräfte den sichtbaren Erscheinungsformen gleich geordnet. Eine solche Harmonie zwischen Geist und Materie manifestiert sich in dem klaren Blick und den Werken von Georgia O’Keeffe.

Bis 13. Mai 2012. Öffnungszeiten täglich von 10 bis 20 Uhr. Der Katalog (Hirmer Verlag) kostet 25 Euro. www.hypo-kunsthalle.de

Dieser Artikel ist erschienen in der Eßlinger Zeitung vom 27. April 2012. 


Sonntag, 15. April 2012

Heimat geht durch den Magen


Als Teilzeitschwäbin, zu der ich inzwischen fortbildungsbedingt geworden bin, gelüstet es mich immer wieder nach heimatlich Vertrautem. Jetzt könnte einer sagen, zur Teilzeitschwäbin kann nur werden, wer zuvor eine echte Schwäbin war. Der Zugehörigkeit zum Volk der Genies und Erfinder von Schiller bis Benz darf man sich jedoch erst ab der ungefähr fünften Generation rühmen. In Stuttgart geboren zu sein, reicht da bei weitem nicht aus. Ebenso wenig das Urteilsvermögen der Norddeutschen, von denen jeder angesichts meiner leicht süddeutsch gefärbten Aussprache sogleich eine waschechte Schwäbin vor sich zu haben glaubt. Weit gefehlt, als Vertriebenenkind habe ich nicht die geringste Chance. Da zählt es auch nicht, dass ich das Riesengebirge nicht wirklich als meine Heimat betrachte...

Was läge also näher als die Sehnsucht nach Heimat mit Gebäck zu stillen? In Schwaben kennt man ja die "Seele", längliche Brötchen mit Kümmel und Salz. Was die Namensgebung angeht, vermute ich folgendes: Das zupackende Volk der Schaffer und Häuslesbauer kann seit jeher mit allem Unkonkreten, Unsichtbaren nicht viel anfangen. Was man hingegen essen kann, muss es auch geben. Das gilt auch für die Seele.


Interessant, das in meiner derzeitigen bayerischen Wahlheimat die Seele eindeutig schwäbisch ist. Sind die Bayern weniger misstrauisch, was die immaterielle Welt betrifft? Oder spricht man hierzulande vor allem den Schwaben seelenvolle Qualitäten zu? Geheimnisse über Mysterien, die mir auch der Bäcker nicht helfen konnte zu lösen.

Wenden wir uns der BREZEL zu. Noch komme ich mir ja jeden Tag wie eine Verräterin vor, wenn ich in München eine BREZE kaufe. Wie klingt das denn. Ich nuschle also vor mich hin und tue so als ob ich den letzten Buchstaben gerade hinunterschlucke.... Daran kann man unschwer merken, dass es zur Teilzeitbayerin noch nicht reicht;-) 
Die schwäbische Brezel und die bayerische Breze oder Brezn unterscheiden sich auch von der Konsistenz her. Eine perfekte Breze(l) zu backen, ist eine inzwischen selten gewordene Wissenschaft für sich. 


Die schwäbische Version hat die für meinen Geschmack genau richtige Konsistenz zwischen "labbrig" und knusprig. Außerdem bietet der obere Teil ausreichend Fläche, um dort Butter, Marmelade oder Nutella (mmmh - lecker) draufzuschmieren. 
Das bayerische Exemplar hingegen ist durchgängig bissfest und knackig. Man muss es vollständig durchschneiden, um eine Butterbreze daraus zu machen. Zu Assimilationszwecken - schließlich möchte ich ja vielleicht irgendwann mal dazugehören - verzehre ich derzeit jeden Tag ein Exemplar. Auch Heimat will erarbeitet sein.

Butterbreze - danach lechzt sogar die Kuh....   Alles Fotos: Christine Wawra

Neulich habe ich meine erste "Laugensemmel" bestellt und war mächtig stolz. Ich habe recht blauweiß kariert dazu geguckt, so dass man mich schon einbürgern wollte. Wo das wohl noch hinführt?


Sonntag, 8. April 2012

Osterspaziergang mit Hasen

Mit aufgerichteten Löffeln posiert dieser muntere Geselle für die Kamera.

Was in der Schokoladenindustrie schon längst gängige Praxis ist - das Umschmelzen von Nikoläusen zu Osterhasen - findet im Bajuwarischen nun auch in großem Maßstab statt. Findige Bürger haben Hand angelegt und die vom vergangenen Winter übrigen Schneemänner vor dem Untergang bewahrt und aus aktuellem Anlass umgeformt. Echte Augenblickskunst, bei dem Aprilwetter....

Gestandener  Kollege mit original bayerischer Wampe.

Klar, dass für eine so große Stadt wie München ein ganzes Team von Osterhasen zuständig ist. Zwei Kollegen hatten sich bereits Feierabend genommen und folglich Zeit für ein Fotoshooting - der Jungspund schon um die Mittagszeit, der wollte wohl bloß spielen. Die andern waren noch unterwegs bei der Arbeit, es ist schließlich erst Ostersonntag.

Auch die Schlüssel zum Himmel waren eingeschneit. 

Zwischen all den Schneehasen wurden zarte Blümlein mit der harten und kalten Wirklichkeit konfrontiert und hatten mein Mitgefühl. Denn nur die Harten kommen in den Garten - ganz wie im richtigen Leben.;-(

Romantik bei null Grad. Copyright für alle Fotos: Christine Wawra